Trecker. Touren. Nostalgie.

Alexander Schirm aus Messinghausen hat ein Start-Up gegründet.

„Ich gucke gern mal links und rechts,
Trecker fahren ist abschalten
und Landschaft genießen.“

 

Messinghausen. Wandern mit einem Trecker, wie das? Ich gebe zu, ich fahre sehr skeptisch hin zum Termin
mit Alexander Schirm in Messinghausen. Ich wandere gern viel und lange. Treckern hört sich nach wenig
Bewegung an. Eineinhalb Stunden später fahre ich glücklich nach Hause.

Gestartet wird in der so genannten Kumecke, an der Trecker-Scheune, die sehr idyllisch mitten im Feld nahe der Landstraße L912 steht.
Als Alexander Schirm die Scheunentür öffnet, den kleinen grünen Traktor offenlegt, bin ich immer noch eher mittelmäßig begeistert.
Er fährt den Deutz D 25 (Baujahr 1959, 2 Zylinder, 25 PS) raus, es tuckert ordentlich.
Kein Schornstein, die Abgase entweichen nach unten, erklärt er. „Willst Du einen Gehörschutz?“, fragt Alexander.
Nee, für die paar Meter Probefahrt nicht.
Mit der nächsten Frage haut er mich total raus: „Willst Du fahren?“ Wie, ich?

Es ist dreißig, bald vierzig Jahre her, da habe ich meinen Vater und meinen Onkel über das Feld gefahren.
Ich am Trecker-Steuer, die beiden oben auf dem Wagen mit der Forke in der Hand.
Unten weitere Helfer, die Strohballen angeben. Reihe für Reihe übers Feld, am Ende wendet mein Vater, dann darf wieder ich.
„Sonja, nicht so schnell und nicht so ruckartig!“ Es klingt mir in den Ohren wie gestern. Alles ist wieder da.
Der Stolz, selbst den Trecker zu fahren und Gas zu geben. Die Angst, dass jemand wegen meiner Fahrweise runterfällt.
Zurück in die Gegenwart. „Alex, ich kann nur Gas geben und bremsen und das auch nur geradeaus!“, rufe
ich ihm über das Tuckern hinweg zu. „Na, dann lernst Du jetzt schalten!“, kommt es prompt zurück.

O.K., erst die Handbremse, ein riesiges grünes Metallding. Alles ist grob, groß, aus Eisen und so offensichtlich schwer und robust.
Wer alte Trecker fährt, braucht Kraft, das steht fest. Eine gewisse Körpergröße ist auch von Vorteil.
Ich rücke nach vorne und mit viel Einsatz löse ich die Handbremse, trete die Kupplung durch, schalte in Gang 2. Ugh!
Ich fahre erstmal im Standgas, bis sich meine Schnappatmung beruhigt hat.

Dennoch ist es zumindest vom Grundsatz her wie im Auto.
Bremse funktioniert nur richtig, wenn auch Kupplung durchgetreten ist… Vorteil: Ich kann nicht abbocken!
Wir fahren ein Stück den Feldweg hinunter, ich werde immer mutiger, merke, es kann nicht viel passieren, ich habe Zeit,
zu überlegen, solange noch keine Routine da ist. Auch das macht mich sicherer.
Nach kurzer Zeit traue ich mich, auf die Felder zu schauen. Trecker und Sauerland, das hat was.
„Ich gucke gern mal links und rechts, Trecker fahren ist abschalten und Landschaft genießen“,
beschreibt Alexander, was ihm und seinem kleinen Sohn Xaver an den wöchentlichen Feierabend-Touren so guttut.
Mehr als 20 km/h gehen nicht, Trecker fahren zwingt zur Langsamkeit.

„Wir setzen nur 2-Zylinder-Trecker ein“

sagt Alexander Schirm.

 

 

 

 

 

Vier Stück sollen es auf Dauer werden, zwei sind bereits im Verleih.
Seine Frau hat ihn auf die Idee zum touristischen Angebot gebracht, hilft wie sein Vater mit.
„Sag mal, wie viel hast Du denn jetzt in den Jahren für die alten Trecker ausgegeben?“, hat sie ihn vor gut einem Jahr gefragt.
Er kam auf mehrere zehntausend Euro. Sie hakte nach.
„Na, dann wäre es doch schön, wenn so ein Hobby auch mal Geld einbrächte, oder?“

Andere für das Treckerfahren begeistern, ihnen zeigen, was seine Leidenschaft ausmacht?
Der Landmaschinenmechaniker, der hauptberuflich Gabelstapler für Fa. Wiegers in Marsberg vertreibt und
nur noch im Hobby schraubt, war sofort Feuer und Flamme.
„Verrückt, aber ich las genau in dem Moment, als meine Frau das sagte, in einer Zeitschrift etwas über Trecker- Touren für Touristen in Mecklenburg.“

Schnell fand er andere Sauerländer, die ihm halfen, bei der Homepage, bei der Werbung.

Das „Treckerwandern“ war geboren.

 

Auch aus Messinghausen gab es viel Ansporn für sein Projekt,
endlich ein Alleinstellungsmerkmal für den schönen Briloner Ort unweit des Diemelsees.
Das Dorf wartet quasi darauf, von Touristen entdeckt zu werden.

„Wenn das gelingt, das wäre klasse“, sagt Alexander, ganz Lokal-Patriot.
Mit der Treckermiete – je nach Tour zwischen 125 und 165 Euro für einen Tag und maximal
drei Personen auf dem Trecker selbst – lassen sich auf Dauer die Kosten decken.
Das ist das Ziel.

Trecker-Ersatzteile und vor allem die Versicherung gehen ins Geld.
Weniger der Diesel. „Mit dem 40-Liter-Tank lassen sich locker zehn Tagestouren bestreiten“, sagt Alexander.
Wer ihm dann mit Umweltverschmutzung kommt, dem entgegnet er, dass es ja einmalige Touren sind, die helfen, ein Kulturgut lebendig zu erhalten.
Unsere kurze Tour auf dem Messinghauser Feldweg geht derweil auf die Zielgerade. Ich habe geschaltet, gekuppelt, gebremst, Gas gegeben und gelenkt.
Ja, ich kann Trecker fahren, so ein schweres Ding. Wow! Ich bin gefühlt mindestens einen Kopf größer.

Wir drehen eine Kurve auf dem Feld, es geht zurück zur Scheune.

„Ja, Servolenkung und sowas, Unterstützungssysteme wie im Auto hast Du hier nicht“, sagt Alexander.

 

 

Jetzt fährt Alexander – deutlich schneller, deutlich sicherer als ich. Souverän.
Und dann passiert es: Wie ein Film laufen vierzig Lebensjahre runter. Ich bin jetzt sechs Jahre alt, sitze ganz nah bei meinem Vater auf
dem Trecker, rieche den Diesel, halte mich an der Stange fest. Ich spüre nahezu, wie es damals war. Ich bin glücklich.
Zurück an der Scheune, weiß ich, dass genau dies das Treckerwandern ausmacht.
Fast jeder Sauerländer hat doch einen Onkel, einen Vater, einen Opa,
bei dem er genau dies erlebt hat und über das Treckerwandern noch einmal erleben darf.

Für jeden Städter, egal woher, ist es die einmalige Gelegenheit, einmal selbst Trecker
zu fahren und seiner Familie, besonders den Kindern, einen intensiven Tag zu verschaffen.
Alles über ein kleines Navi unweit des Lenkrads geführt und auf wenig befahrenen Straßen.
Alles mit einer ordentlichen Einweisung des Fachmanns, der jederzeit erreichbar ist, wenn mal was hakt.
Alexander Schirm gibt zu: „Als ich am 1. Mai zum ersten Mal eine Familie davonfahren sah, musste mich meine
Frau erstmal beruhigen. Die fuhren da mit meinem Trecker!“
Zurück von ihrer Tagestour zum Diemelsee sah er es in ihren Augen. Sie hatten das Einmalige erlebt.

Die Mutter sprach es aus:

„Es ist exakt so, wie Sie es
auf Ihrer Homepage beschreiben.
Ich fühle mich totalentschleunigt.“

 

Mit dem Trecker durch das Sauerland

Alexander Schirm