„Die Schrulligkeit hat Oberhand gewonnen!“
Frieda Braun feierte in Brilon eine außergewöhnliche Premiere
Eine echte Botschafterin des Sauerlandes ist die Kult-/Kunstfigur Frieda Braun. Für Eselsohr sprach Stefan Scharfenbaum mit der Künstlerin Karin Berkenkopf aus Winterberg über ihr neues Programm, Corona und echtes Lampenfieber.
Frau Berkenkopf, vor einigen Tagen hatten Sie Premiere mit Ihrem neuen Programm „Jetzt oder nie!“ in Brilon. Wie haben Sie diesen Abend aus eigenen Augen erlebt?
Ich spreche in diesem Fall lieber von Vorpremieren: Das sind die allerersten Vorstellungen eines Programms, sozusagen die experimentelle Phase, in der von Abend zu Abend immer noch viel geschliffen und geändert wird. Das wunderbare Team von Kulibri hat mir diese Phase mit viel Begeisterung und Motivation erleichtert. Und das Publikum war so, wie man es sich für solche Abende wünscht: begeisterungsfähig, offen und aufmerksam. Ich bin dankbar, dass ich an 4 Abenden die Möglichkeit hatte, das Programm ein ganzes Stück zu optimieren.
Durch Corona wurde Ihre Kultfigur „Frieda Braun“ ja förmlich kaltgestellt. Was haben Sie während des Shutdows durchlebt? Gibt es Dinge, die Sie für sich selbst neuentdeckt haben?
Ich bin vor Corona immer gerne mit Freundinnen und Freunden ins Bistro oder ins Kino gegangen. Dann kamen die Wochen der erzwungenen Einsamkeit. Und danach hat es mich zur eigenen Überraschung Überwindung gekostet, angesichts der nach wie vor lauernden Pandemie wieder unter Menschen zu gehen. Irgendwann habe gedacht: Wenn du jetzt nicht ausgehst, wirst du schrullig. Da war es aber schon zu spät: Die Schrulligkeit hatte bereits Oberhand gewonnen. Sie ist seitdem immer an meiner Seite. Wir haben uns aneinander gewöhnt.
Ihr Lebensgefährte kommt ja auch aus dem künstlerischen Bereich. Hatten Sie Existenzängste?
Wir hatten das Glück, von unseren Rücklagen leben zu können. Und inzwischen füllen sich die Tourpläne wieder dank kreativer Lösungen seitens der Veranstalter. Kulibri ist das beste Beispiel dafür: Der Verein hat in einem Kraftakt zwei ausverkaufte Abende in vier Corona-kompatible Veranstaltungen mit weniger Publikum umgewandelt. Für dieses außerordentliche Engagement der Vereinsmitglieder bin ich sehr dankbar. Ich mache mir aber Sorgen um viele Kolleg/innen, Veranstaltungstechniker/innen sowie um die privaten Theater – ein großer Teil befindet sich in einer existenzbedrohenden Lage. Wenn ihnen, zum Beispiel von staatlicher Seite, nicht geholfen wird, wird unsere einst blühende Kulturlandschaft sehr ausgedünnt werden.
Wie würde Frieda Braun Karin Berkenkopf Mut machen?
Was würde Sie sagen?
Sie würde sagen: „Sieh nicht so schwarz! Du kennst dich doch jetzt seit Jahrzehnten und weißt, dass du Pessimistin bist. Bisher ist es immer noch besser gekommen als du es dir ausgemalt hast.“
In Ihrem Programmen geht es ja oft um Irrtümer, kleinere Unfälle, Macken und Angewohnheiten, in denen sich der ZuschauerInn wiederfindet. Wie kommen Sie auf diese Geschichten?
Da muss ich mir nur meiner eigenen Ticks, Macken und Angewohnheiten bewusstwerden. Das reicht für mehrere Programme.
Was war die größte Herausforderung beim Schreiben Ihres neuen Programmes?
Die ständigen Verschiebungen der Premiere. Anfangs sah es so aus, als könne sie dieses Jahr gar nicht stattfinden. Dann doch, dann wieder nicht, dann nochmal verschoben – der Adrenalinspiegel stieg und sank, die Kreativität kam und ging, ich habe fertige Texte nach Wochen wieder verworfen und ganz neue Nummern geschrieben – kurz: die Entwicklung dieses Programms verlief zäh wie Kaugummi. Ich war gedanklich nie frei davon und habe mir so einen guten Teil des Sommer verdorben.
Haben Sie schon mal über eine zweite Kunstfigur nachgedacht? Eine Freundin von Frieda, die ebenfalls im Programm mitspielt?
Eine zweite Akteurin? Nein, da habe ich nur am Anfang drüber nachgedacht, als ich noch Angst vor der Bühne hatte. Inzwischen bin ich zur Rampensau geworden, die die Aufmerksamkeit des Publikums allein für sich haben will. Nur vor einer Premiere denke ich jedes Mal: Was wäre es schön, das furchtbare Lampenfieber und die gewaltige Prüfungsangst mit jemandem teilen zu können!
Frau Berkenkopf, wenn man sich sehr intensiv auf eine Rolle vorbereitet oder sehr viele Auftritte in einem kurzen Zeitraum hat, rutscht man dann unterbewusst schon mal privat und diese Rolle Träumen sie manchmal wenn sie schlafen als Frieda Braun?
Eine interessante Frage. Es fällt mir jetzt erst auf, dass ich noch nie als Frieda geträumt habe. Es wäre aber schön, wenn das noch kommt. Dann schreibt sich ein neues Programm vielleicht wirklich wie im Schlaf. Ich merke jedenfalls, dass die Kluft zwischen Frieda und mir früher tiefer war. Auch in Sachen Kleidung: Ich finde Friedas Brokatkostüm sehr chic, während Frieda meine Jeans inzwischen auch sehr mag. Wir bedienen uns manchmal am Kleiderschrank der anderen – so, wie es Mütter und Töchter oft tun.