„Berufswahl ist keine Einbahnstraße.“

Das hat Rabea Dohle selbst erfahren und mit diesem Leitsatz berät sie nun Jugendliche.

Kallenhardt/Thülen. Tierärztin wollte Rabea Dohle werden. Das war bis sie 16 Jahre alt war, bis zur zehnten Klasse, glasklar. Jetzt, mit 27 Jahren, ist sie sehr glückliche Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit in Olsberg. Die gebürtiger Thülenerin weiß also, wie sich Wunsch und Wirklichkeit entwickeln können. Bestens gerüstet und ausgebildet berät sie nun Jugendliche an Briloner Schulen. „Probiert euch aus und macht was!“ Das möchte sie am liebsten jedem raten.

Noch 2014, kurz vor dem Abitur, war Rabea auf dem besten Weg, Tierärztin zu werden. Große Tiere sollten es sein, etliche Praktika und Ferienarbeit draußen führten sie dorthin. Dann kam die Rolle rückwärts – nach weiteren Praktika. Sie stellte fest, dass das Gesellschaftliche sie noch mehr reizt. Und dass sie gern schreibt. Also Sozialwissenschaften. Oder war es auch das noch nicht? Nach einem Jahr Studium switchte sie um zum dualen Studium der Arbeitsagentur und wurde Berufsberaterin, was sie nun seit bald fünf Jahren leidenschaftlich ausübt.

Der eigene Weg
„Ich war immer schon von Praktika überzeugt“, sagt die 27-Jährige. Deswegen folgte in den ersten Semesterferien direkt das nächste Praktikum bei der Arbeitsagentur. So etwas wie Theo Gruß, ihr Berufsberater, macht, dass fand sie auch spannend und wollte mal in den Bereich reinschnuppern. Und nach vier Wochen kam das Angebot: „Du kannst auch bei uns, bei der Agentur für Arbeit dual studieren!“ Das klang verlockend und – nach einer erfolgreichen Bewerbung – wechselte sie zur Arbeitsagentur und hat dort ihren Traumjob gefunden. Sie entschied sich zum Studium „Beschäftigungsorientierte Beratung und Fallmanagement“ (mehr sozialwissenschaftlich ausgerichtet, dem blieb sie treu), war in Mannheim. Je vier Monate Studium, vier Monate Agentur für Arbeit: „Ich lernte das gesamte Sozialsystem in Deutschland kennen. Und nach den drei Jahren hatte ich den Bachelor of Arts und das Glück, eine Stelle in Meschede zu bekommen – Berufsberatung, aber auch Arbeitgeberservice.“ Seit 2020 ist sie in Olsberg als Berufsberaterin und viel in den Schulen unterwegs. Auf jeden Fall zeichnet sie viel Neugierde aus und die wird in diesem Job nun wirklich bedient. „Es gibt allein 350 Ausbildungsberufe, sich da zu orientieren ist für die jungen Menschen echt eine Herausforderung!“

Viele Termine sind Netzwerken, denn Berufsberater*innen sind viel unterwegs: zur Absprache mit den Städten (SGB II), Jugendämtern, zu Besuch bei den Trägern der Maßnahmen, zu Betriebsbesuchen bei verschiedenen Firmen der Region, Teambesprechungen, Ausbildungsbörsen, usw. „Insgesamt gleicht kein Tag dem Anderen. Deswegen müssen Berufsberater eine hohe Selbstorganisation aufweisen“, sagt Rabea Dohle. „Wir sehen uns als neutrale Berater oder Lotsen im Dschungel der regionalen Möglichkeiten.“ Gerne wird auch die Bezeichnung „Wegweiser“ genannt. „Wir beraten zu den Bereichen schulische Ausbildung, betriebliche Ausbildung, weiterführende Bildungsgänge zum Erwerb eines höheren Schulabschlusses, Studium, Überbrückungsmöglichkeiten wie Freiwilliges Soziales Jahr, etc. und bieten auch individuelle Unterstützung und Förderung bei Bedarf an. Das alles neutral und kostenfrei.“

Die Jugendlichen heute
Welche Chance haben denn heute die Jugendlichen? „Arbeits- und Ausbildungsmarkt sind so gut wie selten. Natürlich ändert sich die Arbeitswelt durch die heutige Informationsgesellschaft sehr schnell. Aber das hat ja für alle auch sein Gutes. Über 40 Jahre im selben Beruf, das wird es so nicht mehr bei vielen geben. Es gibt so zahlreiche Möglichkeiten. Aufstiegsweiterbildungen, Ausbilder werden, …alle Wege stehen einem offen! Aber ich sage den Jugendlichen immer: ,Du solltest Dir das schon für fünf Jahre vorstellen können.‘“

Zielstrebigkeit und Ehrgeiz fehlen ihr manchmal in den Gesprächen bei ihren Gegenübern. „Ich vermisse dann das tiefe Interesse und das Brennen. Manche entdecken das nicht in sich. Aber woher soll es auch kommen, wenn man vieles per se schon hat: das Handy, den Urlaub am besten mehrmals im Jahr, oft auch noch von den Eltern finanziert. Wenn wir etwas zurückschauen in das Familienleben der Vorgeneration, dann wurde selbst tapeziert, es wurden Autoreifen gewechselt. Heute sind Mama und Papa wenig zu Hause, verdienen Geld, davon werden Handwerker etc. finanziert. Was machen die Jugendlichen dann? Sie haben das Smartphone und beschäftigen sich häufig mit Handy spielen oder anderen digitalen Sachen. Sie kennen die gesamte Bandbreite nicht, haben den Anschluss nicht und probieren vieles praktisch gar nicht mehr aus, es kommt nicht mehr im Alltag vor.“ Da aber, wo es ihn gibt, wo die Eltern präsent (und auch nicht überpräsent!) sind, ist der Rest zumeist unkompliziert. „Die Jugendlichen finden ihren Weg dann bei mir in der Orientierungsund Entscheidungsberatung mit ein paar kleinen Tipps recht schnell.“

Spurwechsler
Aber was, wenn die erste Entscheidung nicht die richtige war – so wie einst bei Rabea Dohle? „Es gibt keine falsche Entscheidung. Falsch wäre nur, nichts zu machen. Wir haben extra ein Beratungsnetzwerk für so genannte ,Spurwechsler‘, die zunächst ein Studium beginnen, dann aber doch noch einen anderen Weg einschlagen wollen. Das sind meist sehr erfolgreiche Fälle, denn diese jungen Erwachsenen wissen jetzt einmal, was nicht richtig für sie war. Es sind sehr dankbare junge Menschen und viel Wissen aus ihrem bisherigen Studium bringen sie ebenso mit. Zahlreiche Unternehmen in der Region sind da sehr offen und profitieren von dieser Erfahrung und Reife.“ Grundsätzlich kann ein Mensch in mehreren Berufen gut sein.

 

„Berufswahl ist keine Einbahnstraße.
Man kann eine Ausfahrt nehmen, neu reinfahren und wieder eine andere Ausfahrt nehmen.
Es gibt immer mehrere Sparten, in denen man glücklich ist. Das sehe ich ja bei mir selbst auch,
ich hätte mir auch gut Personalerin oder Journalistin vorstellen können.“

 

sagt die gebürtige Thülenerin. Einfach anfangen und den eigenen Weg finden, das ist ihr Tipp. Auch sie fand über ihren Job wieder in die Heimat zurück, war bis Ende Mai amtierende Schützenkönigin in Kallenhardt, gefolgt von ihrer Hochzeit nur zwei Wochen später. Was sie in ihrem Job über das Fachliche hinaus gelernt hat? „Ich glaube, ich kann mich inzwischen ziemlich gut auf mein Gegenüber einstellen und den Jugendlichen so helfen, das zu erreichen, was sie wollen. Wir schauen, welche Eigenschaften sie mitbringen, welche Qualifikationen sie für welchen Beruf brauchen und vermitteln sogar Nachhilfe. Es gibt so viele Unterstützungsmöglichkeiten. Darum: Traut Euch, probiert Euch aus!“