Brilon. Seit einem Jahr ist Nicole Bunse nun Obermeisterin der Friseur-Innung bei der Handwerkskammer Arnsberg und erst jetzt laufen – bedingt durch die Pandemie – alle Veranstaltungen und Termine wieder langsam an. Erst jetzt kann sie sich darum auch ihrer Hauptmotivationen
widmen: Auszubildende, aber auch die Allgemeinheit vom Wert, der Sinnhaftigkeit und dem Spaßfaktor ihres besonderen Berufes und des gesamten Handwerks zu überzeugen. Sie will junge Menschen anregen, doch einfach auszutesten, ob sie nicht genau dort gut aufgehoben sein
könnten. Im Handwerk als solide Basis für alles weitere in der Zukunft – egal, was kommt. Ein Plädoyer für die Arbeit mit den Händen, für Kreativität und einfach fürs Machen! Frau Bunse, warum muss in Ihren Augen etwas für das Image der Handwerksberufe getan werden?
Viele Handwerksberufe sind leider in den vergangenen Jahren sehr negativ durch die Medien gegangen. Es ging gefühlt immer nur um schlechte Arbeitszeiten und Löhne sowie viele Vorurteile mehr. Nichts davon stimmt! Es gibt Tarifverträge, besonders in NRW, dank derer man ein
gutes Auskommen haben kann. Und es geht noch mehr. In meinem Salon Cut’n’more zahle ich zum Beispiel übertariflich, als Wertschätzung gegenüber meinen Mitarbeitern – für ihre Leistung und ihr Engagement. Ich habe unheimlich engagierte Mitarbeiter, die sich zum Beispiel auch um social media kümmern, auf Sonderwünsche der Kunden eingehen und vieles mehr. Wir sind ein echtes Team! Es macht total Spaß, so zu arbeiten, und das wird auch honoriert. Ich möchte aber junge Menschen nicht nur über Aspekte wie Bezahlung oder auch flexible Freizeitgestaltung ins Handwerk holen, sondern über die Freude, die dieser Beruf macht.
Wofür werben Sie konkret?
Für die Sinnhaftigkeit eines handwerklichen Berufes, für die Erfüllung, die eine passende Arbeit gibt. Ich habe den Eindruck, dass es viele Jahre in den Köpfen der Jugendlichen nur noch um Work-Life-Balance ging. Um die Frage, wie finde ich den Beruf, der das Gleichgewicht zwischen ordentlichem Einkommen und genügend Freizeit am besten herstellt. Aber das ist es ja nicht. Klar ist Arbeit nötig, das Leben ist kein Ponyhof. Aber sie muss dennoch vor allem zu einem passen und zufrieden stellen, damit man sie auch gut machen kann. Sie soll in erster Linie Freude bereiten. Es geht nicht nur darum, das größtmögliche Gehalt zu erzielen. Ich bin fest davon überzeugt:
Es gibt Jugendliche, die von Anfang an im Handwerk am besten
aufgehoben sind, weil sie alle Voraussetzungen dafür mitbringen
Sie kommen einfach nur nicht mehr darauf!
Wo liegt genau der vermeintliche Denkfehler?
Warum bei der Berufswahl nicht mal die Frage umkehren? Nicht: Was kann ich verdienen, wie muss ich dafür arbeiten? Sondern: Stimmt denn das Verhältnis zwischen dem, was ich verdienen und machen möchte, und dem, was ich gerne mache, überhaupt? Also: Was macht mir denn Spaß, was habe ich schon in der Schule gern gemacht? Es ist momentan unheimlich schwierig geworden, junge Menschen zu motivieren, nur mit ihren eigenen Händen tätig zu sein. Warum aber dies nicht erstmal die ausprobieren und dann entscheiden, ob ich mich nicht vielleicht gerade im Handwerk so weiterentwickeln kann, dass ich mich ideal entfalte? Ich kann zum Beispiel als Friseurin starten und im weiteren Berufsleben als Seminarleiterin tätig sein, im Außendienst, als Maskenbildnerin, Lehrerin und so vieles mehr. Es gibt so viele Aufgabenbereich um mich herum, die mich erfüllen können. Das gilt für alle Handwerksberufe gleichermaßen, ja sogar Auslandsaufenthalte sind in der Ausbildung möglich. Und ich gebe zu bedenken: Alles, was man macht, ist immer eine Horizonterweiterung – man macht nichts falsch im Leben!
Und der Beruf an sich ist ja viel mehr als Haare schneiden. Dies gilt speziell für Ihre Sparte, aber auch für allen anderen mit Kundenkontakt.
Genau! Einige denken als erstes nur: Ach, da muss man so viel stehen. Sie vergessen dabei aber das Eigentliche, was unseren Beruf ausmacht: die Arbeit am Menschen. In unserem Job musst Du empathisch sein, Einfühlungsvermögen haben und Dich auf den Menschen einstellen können. Das geht nicht oberflächlich. Und man sollte auf jeden Fall ein bisschen Talent mitbringen, sonst wird es schwieriger. Künstlerisch kreativ angehauchte Menschen, die sich selbst oder Freunde gerne schön machen, sind angesprochen. Oft sind gerade sie auch auf der Suche, kreativ tätig sein zu können. Warum nicht im Friseur-Handwerk? Ich selbst bin eher in den Job hineingeschlittert. Mit der Frage nach der richtigen Ausbildung war ich als Schülerin erstmal total überfordert. Dann habe ich einige Praktika gemacht und bin in den Job gekommen. Es macht mir Spaß, mit Menschen zu arbeiten, und kreativ mit meinen Händen arbeiten können.
Wie wollen Sie als Obermeisterin mit Ihrem Vorstand Jugendliche über die Innung erreichen?
Ich stehe in ständigem Austausch mit Kollegen und berate auch, wenn mit Auszubildenden etwas ist. Den Berufsschulstandort in Olsberg zu sichern, ist gerade einer unserer Hauptaufgabenbereiche. Es gibt momentan so wenige Auszubildende, dass teilweise schon Unterricht mit der
Berufsschule mit Arnsberg zusammengelegt wird bzw. online stattfindet. Wir engagieren uns dafür, diesen Standort zu halten, indem wir wieder mehr Azubis gewinnen. Dafür müssen wir ans Image und viel mehr in die Schulen, was ja jetzt wieder möglich ist. Schon vor Corona gab es den Azubi Day, eine Info-Veranstaltung in der Schule. Die Schüler konnten zum Beispiel an Übungsköpfen ausprobieren und Fragen stellen. Im Unternehmen können wir einen eigenen Ausbildungsbotschaft er stellen. Bei uns war das zuletzt unsere Auszubildende Xenia. Sie wurde über die Handwerkskammer kommunikativ geschult und beantwortete dann in den Schulen die Fragen der künftigen Azubis. Das ist perfekt, weil Auszubildende mit Schülern auf Augenhöhe kommunizieren und so ein anderes Bild vom Friseur oder einem anderen Handwerks-Beruf vermitteln. Es gibt verschiedene Ausbildungsbotschaft er, die je nach Gebiet in die Schulen gehen, gleichzeitig aber auch bei Ausbildungsbörsen präsent sind. Ich kann nur jede Jugendliche, jeden Jugendlichen auff ordern: Kommt ins Gespräch: mit Arbeitgebern, deren Azubis oder am Stand auf Ausbildungsbörsen. Und probiert Euch aus!