Wenn Namibia ruft…

… können zwei Brilonerinnen nicht „Nein“ sagen. Leonie und Sophie Vogel engagieren sich im südlichen Afrika

Brilon. Leben ist das, was passiert, während man plant. Das hat Leonie Vogel in diesem Jahr auf besondere Weise erfahren. In sehr positivem Sinne. Während die Brilonerin nach erfolgreich abgeschlossenem Architektur-Studium den sicheren Hafen Deutschland anstrebte und schon eine tolle Stelle in einem Olsberger Architekturbüro gefunden hatte, hat sie doch noch das Namibia-Fieber ihrer Schwester Sophie angesteckt – in Form eines spannenden beruflichen Angebots. „In unserer Familie sind alle etwas Namibia verrückt“, sagt Leonie. Dort hat der Freund ihres Vaters seit Jahrzehnten eine Lodge, sehr häufig waren sie und ihre Schwester zu Gast, seitdem sie klein sind. Nun arbeiten beide für Hilfsprojekte des Vereins Wadadee Cares, die eine als Sozial-Arbeiterin, die andere als Architektin.

„Wadadee“ stammt aus einer der namibischen Sprachen und bedeutet so viel wie „Es geht jeden etwas an“. Dies nahm zuallererst Sophie wörtlich. Die 23-Jährige hat Soziale Arbeit studiert und ist schon im Sommer nach Afrika ausgewandert, leitet das erste eigenen Wadadee-Kinderheim in der Hauptstadt Windhoek, das „Inami“ heißt. Zuvor war der im Jahr 2015 gegründete Verein, der gern Volontäre (Freiwillige) auch aus Deutschland einsetzt, vor allem Kooperationen mit fünf namibischen (Vor-)schulen und Kinderheimen eingegangen. Er hat eine Suppenküche und Nachmittagsbetreuungen ins Leben gerufen oder bedürftigen Kindern den Besuch einer guten Schule ermöglicht. Mit Leonie als Projektleiterin wagt er sich ans nächste große eigene Projekt: Es sollen Nahrungsmittel angepflanzt und – vorerst zur Eigenversorgung – genutzt werden.

„Es war eigentlich immer Sophies großer Traum, nach Namibia auszuwandern. Dass sich unsere Lebenswege beruflich überschneiden, hätte ich nicht gedacht“, sagt die 26-Jährige. Wie durch Zauberhand verband sich aber schon ihr Uni-Abschluss mit dem Land und so geht es seitdem immer weiter. „Ich hatte meine Professorin in Dortmund gefragt, ob wir nicht über die Uni ein Projekt in Namibia durchführen wollen. Sie schlug mir dann aber vor, mir dort doch ein Thema für meine Abschlussarbeit zu suchen.“ Das war schnell gefunden, Wadadee suchte schon lange nach einer Nutzungsmöglichkeit für die so genannte Nelli Farm, die einem Mitbegründer des Vereins gehört. Leonie griff den Faden auf und erstellte als Bachelor-Arbeit ein architektonisches Konzept für die Farm. Leitmotiv: „Ein Ausbildungsdorf baut sich selbst“. Im Werden des Dorfes, so die Idee, sollten Jugendliche gleichzeitig in Berufen ausgebildet werden, die beim Bau und schließlich beim Betreiben einer Farm anstehen. So die Vision für Afrika. Für sie erhielt Leonie – so viel sei verraten – eine Spitzen-Abschlussnote. Eine Vision allerdings, die viele, viele Spendengelder erfordern würde. Ein Job in Deutschland war indes gefunden. Also erst mal hier architektonische Erfahrungen sammeln? Nee, Afrika blieb im Hinterkopf. „Aus meiner Bachelor-Arbeit entstand der Wille, dieses Projekt langfristig bei der 1:1-Umsetzung zu unterstützen. Dabei haben wir uns entschlossen, mit dem nachhaltigsten Teil, der Selbstversorgung, zu beginnen und möchten vom Eigenanbau zum Ausbildungssystem expandieren.“

Bisher hat das Inami-Kinderheim eigene Hochbeete und auf der Farm wurde mit Mikrobewässerungssystemen experimentiert. Dies soll nun mit Blick auf Nahrungsmittel- und Wasserknappheit sowie drastisch gestiegene Lebensmittelpreise größer aufgezogen werden und dazu konnte Leonie einfach nicht „Nein“ sagen. Im Januar geht sie – vorerst für ein Jahr – als Projektleitung nach Afrika. „Es sind dort gar nicht so andere Tätigkeiten wie im Architekturbüro. Hier muss ich schauen, dass alles auf der Baustelle funktioniert, dort bin ich für die bauliche Gestaltung eines Geländes zuständig.“ Und dieses Gelände wird, so die jüngsten Überlegungen, soll erstmal gar nicht die Nelli-Farm sein, sondern ein anderes Grundstück, das dem Verein zur Verfügung gestellt wurde, und das näher an Windhoek liegt. „So können wir auch mit den Kindern einfacher hinfahren, um zum Beispiel dort Kurse oder Ferien zu machen.“ Immer und unbedingt geht es um Hilfe zur Selbsthilfe.

Statt Häusern wird Leonie ab Januar so genannte „Green Tunnels“ planen, bauen und betreuen. Wer weiß, was folgt? Die Idee der Bachelor-Arbeit wäre auf jeden Fall noch im Raum. Oder doch, wie geplant, nach einem Jahr zurück nach Deutschland? „Wenn ich sehe, was in diesem Jahr alles passiert ist…“ Ja, so ist das mit den Plänen und dem Leben!