„Briloner können Kirmes!“

… sagt eine ganz besondere Dortmunder Schaustellerfamilie. Eine Geschichte rund um gebrannte Mandeln, die Liebe zum Beruf und Stahlschmidts spezielle Beziehung zur Waldstadt. Brilon/Dortmund. „Brilon ist eine der schönsten Kirmessen in Deutschland“, sagt der 78-jährige Klaus-Peter Stahlschmidt. Er

… sagt eine ganz besondere Dortmunder Schaustellerfamilie.
Eine Geschichte rund um gebrannte Mandeln, die Liebe zum Beruf
und Stahlschmidts spezielle Beziehung zur Waldstadt.

Brilon/Dortmund. „Brilon ist eine der schönsten Kirmessen in Deutschland“, sagt der 78-jährige Klaus-Peter Stahlschmidt. Er erlebte den hiesigen Rummel seit seiner Kindheit. Als Schausteller. Also einmal gebrannte Mandeln, bitte! Nee, viel mehr als das: Was eine Eselsohr-Stimmungsgeschichte zu vier Tagen Jahrmarkt werden sollte, wurde ein hier dokumentiertes Gespräch, über die
Liebe zum Schaustellerdasein, über bald sieben Generationen die besten gebrannte Mandeln und einen besonderen Geburtstag am diesjährigen Kirmesmontag.

Doch beginnen wir im Geschehen. Nahezu von Anfang an, seit die Kirmes kurz nach Ende des 2. Weltkrieges wieder startete, ist die Schaustellerfamilie Stahlschmidt aus Dortmund dabei. Warum? „Die Briloner Kirmes, die wird noch gefeiert! Es ist einfach alles noch so familiär da, es macht Spaß Teil davon zu sein!“ Direkt am Eingang der Derkeren Straße, gegenüber von Starke, stehen seit Jahren die beiden Wagen der Gebrannte-Mandeln-Experten. Erst der von Monika und Klaus-Peter Stahlschmidt, daneben Tochter Annette. Danach reihen sich Lederwaren, Entenangeln, wieder Mandeln und dann die Kräuterbonbons an. Der Anruf der EselsohrReporterin erwischt den 78-jährigen Klaus-Peter und seine 30 Jahre jüngere Tochter Annette im Auto. Was sie nun in die Freisprechanlage erzählen, haut einen aus den Socken.

„Brilon ist meine zweite Heimat.“

Vom Rauschebart des Dorfpfarrers in Helminghausen:
Beginnen wir mit dem Vater. Kennt er Brilon? „Und ob! Ich bin tatsächlich in eurer Ecke groß geworden, das Sauerland ist meine zweite Heimat.“ Wie jetzt? „Meine Eltern schickten meine Schwester und mich jahrelang über den Sommer ins Caritas-Kinderheim nach Helminghausen. Wir waren die einzigen Langzeitgäste dort.“ Es war die Zeit direkt nach dem Krieg, zu Hause war regelrecht Land unter. Am Diemelsee erlebten die Geschwister eine schöne Zeit. „Allerdings hatte ich ein Riesenproblem: Wir mussten immer sonntags in die Kirche unter der Staumauer. Und der Pastor hatte einen Rauschbart. Jede Woche habe ich mich gefragt, ob er den Bart beim Schlafen unter oder über der Bettdecke hat“, sagt Klaus-Peter Stahlschmidt. So wie er erzählen kann, lassen wir ihn doch gern weitermachen. Es bleibt aber nicht nur lustig. Bis zur Einschulung mit sieben Jahren lebte der Junge aus Dortmund nahezu dauerhaft am Diemelsee. Zurück zu Hause spielte ihm das Schicksal schon in der Jugend einen bösen Streich.

„Die Briloner Kirmes, die wird noch gefeiert. Es ist einfach alles noch so familiär, es macht Spaß Teil davon zu sein.‟ Annette Stahlschmidt-Dapunt

 

„Mein Vater war sehr krank, ein Hirntumor, das war damals angesichts der Behandlungsmöglichkeiten noch fataler als heute. Als ich dreizehn war, ist er gestorben. Für mich hieß dies: Nach der Schule freitags in den Zug, zum Platz hinfahren, immer woanders hin. Das habe ich nicht immer gerne gemacht.“ Der Beruf war vorgezeichnet. Direkt mit dem Schulabschluss stieg er bei seiner Mutter mit ins Schaustellergeschäft ein. „Und 1974 habe ich dann geheiratet, meine Frau kommt auch aus Schaustellerkreisen, aus dem Münsterland. Ihre Eltern machten auch gebrannte Mandeln. Wir haben uns gegenseitig geneckt, wer nun den meisten Mist macht, die Steinkamps oder die Stahlschmidts. Es hat trotzdem geklappt, wir sind jetzt 50 Jahre verheiratet!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„60 Prozent Mandeln müssen es sein!“

Ein Geheimrezept und neumodische Gelüste:
Da wären wir bei den besten aller Mandeln und bei der Professionalität und Leidenschaft im Schausteller-Dasein. Was unterscheidet die guten von den schlechten Mandeln? „Oh, vieles, man kann sie zum Beispiel verbrennen lassen. Und bei zu viel Zucker leidet die Qualität. Auch wenn Mandeln teuer sind, es muss ein Anteil von 60 Prozent sein. Dann sind sie nicht so hart, das schätzen die Kunden“, weiß der Experte. Er bietet neben Mandeln auch andere gebrannte Nüsse an. Allerdings nicht so was Verrücktes wie zum Beispiel Toffifee-Mandeln. „Ich persönlich denke, dass gebrannte Mandeln nach solchen schmecken sollten!“ Da kommt seine Tochter ins Spiel, die direkt nebenan Spezial-Schokofrüchte, selbstverständlich mit echter belgische Pralinenschokolade, anbietet. „Ich nehme,wenn ich Mandeln mache, auch neue Geschmacksrichtungen, obwohl ich selbst nur die traditionellen gebrannten Mandeln mag. Die Kundschaft wird jünger und will das schon haben.“ Hat eigentlich jeder sein Geheimrezept? „Ja, absolut geheim!“ Annette Stahlschmidt ist die jüngere Generation, sie ist ganz bewusst Schaustellerin geworden. Ihre Eltern hatten allen drei Kindern sehr bewusst eine Ausbildung außerhalb des Rummels ermöglicht, ihre Geschwister helfen noch gerne mit, arbeiten aber in ganz anderen Berufen. Annette Stahlschmidts Geschichte ist nicht minder spannend als die ihres Vaters. Denn immer mit dabei auf dem Rummel sind auch ihre Kinder.

„Dank des Schaustellerlebens kann ich besonders meinen jüngsten Sohn immer mitnehmen und bei mir behalten. Er leidet am Gendefekt Mowat-Wilson-Syndrom, ist geistig auf dem Stand eines dreieinhalbjährigen Kindes. Für ihn ist das ganze Leben ein Dauerabenteuer.“ Und hier greift die große Kirmesfamilie aller Schausteller: „Es erzieht wirklich ein Dorf ein Kind. Es ist immer jemand da, der gucken kann. Wir sind schließlich dreiviertel des Jahres im Wohnwagen unterwegs. Unseren Sohn kennt man auf jedem Rummel in der Region.“ Ihr älterer Filius macht gerade sein Abitur, es gibt einen Extra-Abiturlehrgang für Schausteller-Kinder am Berufskolleg in Dortmund. „Er wird das Geschäft übernehmen, aber erst das Abitur!“

„Am schönsten ist der Sonntag“

Familien, Stammkunden und mehrmals Mandeln am Tag:
Doch nun mit Stahlschmidts zurück zum besonderen Briloner Rummel. „Unser liebster Kirmes-Tag ist der Sonntag, das ist der angenehmste Tag wegen der Familien, da kommt die Oma mit dem Enkel. Viele bekannte Gesichter sind dabei, viel Stammkunden, die auch schon mal mehrmals täglich ein paar Mandeln holen.“ Und nicht nur das: „Wir kennen alles in Brilon, kriegen alles mit. Mein bester Freund Heribert Kaluza wohnt hier. Da müssen wir doch ab und zu mal vorbeischauen, auch außerhalb der Kirmes“, sagt Klaus-Peter Stahlschmidt

Am Rummel allerdings, freut ihn am meisten, den Leuten Vergnügen und Spaß zu bringen. „Das ist tatsächlich so. Die Menschen brauchen die Kirmes. Das hat die Corona-Zeit gezeigt. Das erste Jahr danach war das beste aller Zeiten.“ Seine Tochter ergänzt: „Es ist auch viel Arbeit, viele Stunden gehen ins Land: fahren und aufbauen, Ware kaufen, Buchführung, Geschäftswäsche muss gemacht werden und vieles mehr.“ Höher, schneller, weiter, technischer und in gewissem Maß auch stressiger als früher sei die Kirmes geworden. Annette Stahlschmidt schaut auf ihr besonderes Erlebnis zurück: „Mein schönstes Jahr war, als ich meinen Sohn bekommen habe. Er wäre fast in Brilon geboren. Kunde nach Kunde kam vorbei und sagte: ,Sie sind ja immer noch hier!‘ Mann, wir haben so gehofft, dass es Brilon wird!“ Er ist ein paar Tage später in Ahlen geboren. Doch nun wird alles nachgeholt. Na, wer wird wohl bald 18? „Mein Sohn. Und er hat nicht die Wahl. Wir
feiern seine Volljährigkeit am Kirmesmontag in Brilon!“