Hin zu neuen Wald-Visionen.
Spannendes Projekt „Das Brotbaumregime“ läuft noch bis zum 1. Oktober
„Erst, wenn wir uns etwas vorstellen können, können wir auch danach handeln.“
Theresa Kampmeier
Text von Sonja Funke.
Brilon. Der Countdown läuft. Nach der Kirmes haben Besucher noch exakt eine Woche lang Zeit, sich die sehr lohnenswerte Ausstellung „Das Brotbaumregime“ im Haus Hövener und an zwei weiteren Museumsorten im HSK anzuschauen oder an einer der noch verbleibenden Veranstaltungen teilzunehmen. Alles mit dem einen Hintergrund: Das Gespür für unseren Wald und unseren
Umgang mit diesem so wichtigen Lebensraum und Klimaretter zu erforschen, zu vermitteln, zu erspüren.
Theresa Kampmeier, Projektleiterin aus Arnsberg mit Hauptwohnsitz in Berlin, ist Künstlerin. So geht sie auch an das Projekt heran. Sie will – mit Unterstützung vieler beteiligter Kolleg*innen, aus der Historie heraus und mit Zeitzeug*innen aus dem Jetzt und Heute – die Situation im Waldaufzeigen, vermitteln, darstellen. Sie will nichts bewerten, aber durchaus Visionen mitgeben. „Um die Gegenwart genauer zu verstehen, zieht das Projekt Verbindungen zwischen dem lokalen Hier und Jetzt und anderen Orten und Zeiten. Wir erforschen Wald-Erzählungen, die vor langer Zeit entstanden sind. Sie prägen unser Handeln bis heute und sind oft fast unsichtbar. Dem an die Seite stellen wir Visionen für Alternativen, damit wir anfangen können, uns eine andere Welt vorzustellen. Erst, wenn wir uns etwas vorstellen können, können wir auch danach handeln.“
Genau dieses Herangehen macht das Projekt sehr wertvoll und vielschichtig. Im Haus Hövener, direkt im Foyer, erzählt der Geschichtsleistungskurs des Petrinums die Geschichte der regionalen Waldnutzung. In den nächsten Räumen führen uns Bücher, Bilder und vieles mehr aus mehreren Jahrzehnten vor, wie romantisch verklärt wir dieses Naherholungsgebiet sehen, und wie wichtig der Forst vor allem in den vergangenen 150 Jahren als Holzlieferant wurde. Nun die kahlen Flächen und der zwangsläufige Abschied von großen Plantagen des „Brotbaumes“ Fichte. Aber wo erinnert denn überhaupt noch zum Beispiel ein Kohlemeiler an ganz andere Zeiten der Waldnutzung – weit vor der Fichte? Nicht vergessen wird auch die Trauer um die vielen Bäume, die allerorts fehlen, an die Sprachlosigkeit angesichts der kahlen Flächen. Sie hat auch Theresa Kampmeier betroffen gemacht und letztlich zum Projekt gebracht.
Zurück am Ausstellungsort Haus Hövener und in den Raum vorm gläsernen Übergang von einem Hausteil in den anderen: Es ist dunkel und es strömt und rauscht überall. Besonders eindrucksvoll ist die Virtual-Reality- Punktwolken-Installation Atmospheric Forest (atmosphärischer Wald) über sonst nicht sichtbare Vorgänge im Wald, die sich Besucher*innen mit einer VR-Brille anschauen können. Auch der Kunst-Grundkurs am Petrinum möchte den Raum so schnell nicht wieder verlassen. Es ist einfach faszinierend. Beziehungen von Wald und Klima haben Künstlerin und Künstler Rasa Smite und Raitis Smits hier audiovisuell erfahrbar gemacht.
Der Wald, unser CO2-Speicher und Sauerstofflieferant: Was wir doch eigentlich alle wissen, wird spürbar durch die Installation. Sie zeigt Interaktionsmuster zwischen Emissionen von Kiefern in einem alten Schweizer Alpenwald und den Wetterbedingungen in diesem von Trockenheit geprägten Tal.
Doch mehr noch bot und bietet das Brotbaumregime. Die Veranstaltungen, die das Projekt seit Anfang Juli begleiten, waren und sind durchweg spannend und abwechslungsreich. Es ging zum
Unternehmen EGGER, um zu sehen, wie eine dekorative Möbelplatte entsteht, ebenso wie in unterschiedliche Sägewerke und mehrfach ins Kino. Zum Beispiel in Brilon in den Film Der Wilde Wald, in dem der Nationalpark Bayerischer Wald vorgestellt wird, wo durch Naturverjüngung auch Borkenkäferflächen wieder grün wurden. Die anschließende Diskussion mit Professorin Carola Becker war kontrovers und spannend, auch mit Blick auf den im Briloner Stadtforst geplanten Dauerwald. Selbstverständlich führten auch so einige Exkursionen in den Wald selbst.
Und hier ist noch was im Angebot: Am Donnerstag, 28. September, um 16 Uhr ist „WaldwandelN“ in Scharfenberg: Wanderung mit Lukas Wittmann, Ortsvorsteher von Scharfenberg, Johannes Caspari, Bildhauer, und Theresa Kampmeier durch das renaturierte Kloßsiepetal/Brüggenwiesen zur Besenbinderhütte und zur Skulptur „Waldwandel“. Für alle, die Lust haben, wandernd
kleine und große Wunder zu entdecken und mehr über die Waldaktivitäten in Scharfenberg zu erfahren(Dauer: ca. 2 Stunden, Länge: ca. 4,2 km, Treffpunkt: Parkplatz an der Schützenhalle,
Schützenring 8, Brilon-Scharfenberg, kostenlos, für jedes Alter, nicht barrierefrei). Einfach zum Treffpunkt kommen!
Außerdem steht noch Folgendes an: Am 23. und 30. September gibt es öffentliche Ausstellungsrundgänge an allen drei Museumsstandorten, jeweils um 14 Uhr. Am 27. September (19 Uhr) und
30. September (15 Uhr) werden Künstler* innenfilme in der Kulturschmiede Arnsberg präsentiert. Ach, und übrigens: Ebenfalls bis Ende September können alle noch einsenden, was sie mit dem Wald verbinden, Texte wie Bilder – für eine Wand der Erinnerung, die als Wanderausstellung in Rathäuser durch ganz Deutschland gehen soll (an: annika@brotbaumregime.info). Auch die Homepage – besonders das Archiv – gibt reichlich Info und ist sehr empfehlenswert: www.brotbaumregime.info. Und mit dem Eintrittspreis von 8 Euro (ermäßigt: 4 Euro) für das Kombi-Ticket kommt man in alle drei Museen (auch in die große Wunder-Wald-Ausstellung im Arnsberger Sauerland-Museum, die dort nur noch bis Ende Oktober läuft).
Ja, und noch ein letzter Grund, warum man sich sputen sollte: Das spannende Begleitheft gibt es gratis zum Besuch dazu!