Das Aatal mausert sich

Entschleunigung pur und mehr: Spaziergang lohnt sich unbedingt

„Das Aatal liegt mir einfach am Herzen.
Es ist schon ein ganz besonderes Fleckchen Erde,
das möchten wir auch Gästen zugänglich machen.
Eigentümer
Matthias Kappe

 

Brilon. Das Aatal mausert sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Viele neue tierische Bewohner, mit Federn oder mit Fell sowie engagierte Briloner, die hier ihre Landlust leidenschaftlich und zum Wohl aller ausleben, locken ins Kleinod jenseits der Umgehungsstraße.

Es gibt einiges zu  sehen: Lange nicht nur die Emus, von denen in einer der jüngsten Eselsohr-Ausgaben ausführlich berichtet wurde, haben Einzug ins beliebte Briloner Naherholungsgebiet zwischen Hexenstein und Ratmerstein gehalten. Es ist viel mehr passiert, vom Hofladen bis hin zu Michels Mühle. Auch das Haus Hövener und der Heimatbund Semper Idem mischen mit. Eine Streuobstwiese ist beim Hof Brandenburg angelegt und blaue Schilder bezeugen allerorts die Bedeutung dieser Briloner Gemarkung. Ganz frisch spielt auch hier Brilons Schnadetier, der Esel, eine weitere Hauptrolle.

Hühner, Hofladen und Natur-Pädagogik Beginnen wir direkt unterhalb der B7. Im vergangenen Herbst hat Familie Becker hier zwei Hühnermobile auf einer großen Wiese unterhalb des Mühlenwegs aufgestellt und gleichzeitig aus dem zuvor kleinen Hofverkauf einen echten Hofladen mit eigener neuer Hütte gemacht. Rund 500 Eier legen die freilaufenden Hennen täglich. Bettina Becker sammelt sie gegen Mittag ein, dann werden sie durchleuchtet und sortiert – von Größe M bis XL. Bald sollen auch noch Emu-Eier hinzukommen. Futter für die Tiere, die auf einer der Wiesen im Aatal zu finden sind, gibt es im Hofladen und noch vieles mehr für den Menschen: Eiernudeln, Eierlikör und sogar Eis. Honig und Gewürze ebenso wie Selbstgebasteltes passend zu jeder Jahreszeit runden den Laden ab, dessen Türen täglich bis in die Dämmerung offenstehen. Gezahlt wird in die Vertrauenskasse und das klappt bis dato gut, freut sich Bettina Becker. Seit dem Sommer erkunden Gäste, besonders auch ganz junge, regelmäßig den Hof: „Ich bin seit kurzem zertifizierte Bauernhof- und Erlebnis-Pädagogin“, sagt die gelernte Erzieherin Bettina Becker. Für Kinder wie Erwachsene bietet sie, unterstützt von ihrer Kollegin Stefanie Becker, Bauernhoferlebnisse an. Unter anderem mit der „Wichtelwiese“ für die ganz Kleinen plus Begleitperson, sind die beiden in diesem Jahr schon gestartet. Es gab Themen-Nachmittage zum Beispiel zur „Tollen Wolle“. Flyer zum umfangreichen Angebot, das auch Kindergeburtstage und Kurse für Erwachsene umfasst, liegen im Hofladen aus. „Wir haben total gute Rückmeldungen, und die ersten Termine waren schnell ausgebucht. Sogar die Bullen im Stall haben die Kinder füttern können, mit kleinen Schneeschüppen. Erste Berührungsängste sind schnell verflogen“, sagt die Pädagogin. Kaninchen, Hühner, Schafe und Wachteln, der Familienhof bietet einen kleinen Streichelzoo. Ganz frisch sind auch noch Alpakas eingezogen.

Esel, Streuobstwiese und blaue Schilder Thematisch und auch geographisch ist der Weg nicht weit zu den nächsten neuen Bewohnern des Aatals, den Eseln. Ein Gruß schon mal vom Eselsohr! Die Tiere gehören dem Briloner Heimatbund Semper Idem e.V. und sind echte Zeitzeugen an früherer Wirkstätte. Esel übernahmen die Transporte von der Stadt zu den Mühlen und umgekehrt. Heute transportieren sie Geschichte und Geschichten. Untergebracht waren die Tiere bisher ein Stück unterhalb vom Hof Becker, bei der Familie Brandenburg auf der Seeschulten-Mühle. Künftig sind Spaziergänge durchs Aatal mit ihnen geplant und sie sind umgezogen. Ein paar hundert Meter weiter, in Richtung Verkehrsbetriebe, wird auch gerade ein Unterstand gebaut. Dies in unmittelbarer Nähe zur Streuobstwiese des Vereins, die von Familie Brandenburg zur Verfügung gestellt wurde. Insgesamt 30 hochstämmige Apfel-, Birnen-, Kirsch und Pflaumenbäume alter Sorten auf einer Fläche von 1.800 qm sind bereits gepflanzt. Natur- und Heimatfreunde haben für alle Bäume jeweils Baumpatenschaften übernommen. Wegen der besonderen Bedeutung der Mühlen über sieben Jahrhunderte hat Semper Idem dort außerdem blaue Schilder mit Erklärungen aufgestellt. „Die sechs Mühlen im Aatal waren für Brilon sehr bedeutend. Für die wasserarme Stadt stand hier die benötigte Wasserkraft zur Verfügung“, erklärt Winfried Dickel. So wurde an den Mühlen nicht nur Mehl gemahlen, sondern auch Öl gepresst, Eisenerz geschmolzen, Sensen geschliffen, Steine klein gepocht oder Leinen gewalkt.

Geschichte, Mühlenatmosphäre und behagliches Wohnen Einmal bei Brandenburgs Mühle angelangt, ist der Weg nicht mehr weit zur Michels Mühle. Was schon Künstler Pitt Moog als langjährigen Bewohner zu immer neuen famosen Werken motivierte, haben die neuen Eigentümer der Michelsmühle, Vanessa und Matthias Kappe sowie Martin Bürger, nun für Feriengäste liebevoll hergerichtet. 1408 wurde die Mühle erstmals erwähnt. Vor Professor Pitt Moog, Kunstmaler und Teilnehmer der documenta, haben hier auch schon Alexander von Ledebur, königlich preußischer Obrist, und Bernhard Henrich Schenk, Bürgermeister von Meschede, gewohnt.
Feriengäste können es ihnen nun nachtun und vornehmlich in der Dämmerung Folgendes erleben, gern auch vom Schlafzimmerfenster aus: „Rehe ziehen zum Äsen auf die Lichtung. Leise plätschert das Wasser des Mühlgrabens über das alte Mühlrad. Zeit, dem Alltag zu entrücken; das Leben auf der Überholspur zu verlassen; Familie, Kinder und Freunde zu genießen…“ Die neuen Eigentümer nennen dies „WIEDER LAND SEHEN“. Für den Briloner Matthias Kappe ist es aber noch viel mehr: „Das Aatal liegt mir einfach am Herzen. Es ist schon ein ganz besonderes Fleckchen Erde, das möchten wir auch Gästen zugänglich machen. Gerade ist die alte Deele als Ferienwohnung fertig geworden, so dass wir jetzt zwei ganz besondere Urlaubsangebote bieten können.“

Ein Spaziergang mit Blick auf Esel, Emus und Streuobstwiese, dies gepaart mit blauen Info-Schildern an alten Mühlrädern und garniert mit einem Einkauf im Hofladen: Entschleunigung pur – für Touristen wie Einheimische. Nichts wie hin ins Aatal!