Natürlich liebe ich meinen Körper
Alexandra Linnemann aus Madfeld ist Plus-Size-Model
„Man kann bereits jetzt schon einen Wandel von Sichtweisen
auf Menschen in TV, Online und Print beobachten.
„Normale“ Menschen wie du und ich prägen langsam
aber sicher Magazincover, Laufstege sowie TV- und Onlinewerbungen.“
Am letzten Spätsommertag des Jahres habe ich mich mit Alexandra Linnemann getroffen. Alex ist Grafikdesignerin und Plus-Size Model aus Brilon-Madfeld. Zusammen haben wir über ihre Wahlheimat Brilon, ihren Weg zum Model und über Selbstakzeptanz gesprochen.
Alex, was verbindet dich mit Brilon?
Ich komme tatsächlich gar nicht von hier. Geboren bin ich in Leipzig. 1994 sind meine Eltern ins Sauerland, in die Nähe von Warstein, gezogen. Dort bin ich dann aufgewachsen und erst mit Beginn meiner Ausbildung nach Brilon gekommen. Hier habe ich dann auch Chris kennen und lieben gelernt und durch die Arbeit und die Liebe bin ich hierher gezogen. Und seitdem bin ich auch
sehr glücklich hier und fühle mich mittlerweile verbundener, als zu meinem Geburtsort. Auch einfach durch die Natur, weil ich so ein Naturmensch bin.
Kannst du mir deinen Lieblingsort in Brilon verraten?
Das Energiefenster im Madfelder Bürgerwald. Das ist ein Aussichtspunkt, von dem aus man ganz weit in die Ferne blicken kann, mitten in den Madfelder Wäldern. Das ist für mich eine Art Ruheplatz. Dort gibt es auch eine Holzskulptur, eine Art Auge, das ein Fenster symbolisiert. Ein wunderschöner Ort.
War es schwierig für dich in einer “Kleinstadt” wie Brilon bekannt zu werden? Wurdest du schon mal negativ darauf angesprochen?
Negativ noch nie. Aber natürlich gab es schon blöde Kommentare über Social Media. Das waren Leute, die zunächst nett geschrieben haben, die Kommentare dann aber umschwenkten und sexistisch wurden. Wenn ich dann meine Meinung dazu gesagt habe, wurden sie auch direkt beleidigend. Ob ich hier tatsächlich “bekannt” bin, weiß ich gar nicht. Das Meiste mache ich online über Facebook und Instagram. Der ganze Plus-Size Bereich ist eine richtige Community, wie eine kleine, tolle Familie und dadurch wird man dann auch bekannter.
Und dann kam die Westfalenpost auf mich zu und fragte mich, ob wir ein Interview machen wollen. Das war dann auch das erste Mal, dass hier lokal in der Region was dazu kam. Danach haben mich sogar Leute auf der Straße darauf angesprochen.
Wie wichtig sind die Sozialen Medien für dich und was hältst du von den dort generierten “Schönheitsidealen”?
Social Media hat sehr schöne, aber natürlich auch weniger schöne Seiten. Die Plattform selber ist zum vermarkten grandios, keine Frage. Vor allem um Reichweite zu generieren und Menschen anzusprechen, mit denen man sonst nie in Kontakt kommen würde. Allerdings ist es auch gefährlich, gerade auch in Bezug auf das, was du schon angesprochen hast. Es werden oftmals auch Dinge publiziert, nach denen andere sich richten z.B. wie man auszusehen hat. Die mediale Beeinflussung ist da schon sehr groß und kann natürlich auch ins Negative umschlagen. Aber ich finde, dafür ist der Bereich von Plus-Size auch gerade gut. Um genau darauf aufmerksam zu machen. Es gibt eben nicht nur 90-60-90, sondern so viel mehr. Und genau diese
Werte sind doch so toll. Natürlich die Werte des Menschens ganz vorneweg. Die Hülle ist die Hülle und der Charakter ist der Charakter. Viele urteilen und äußern sich leider nur über die Hülle. Durch die mediale Beeinflussung der letzten Jahre ist es schwierig dieses Bild zu ändern. Wobei ich auch sagen muss, dass es in den letzten 1 bis 2 Jahren einen starken Umschwung gegeben hat. Wenn man darauf achtet, was mittlerweile im Fernsehen, online oder bei Print-Kampagnen gezeigt wird, erkennt man schon eine Veränderung.
Hast du auch Vorbilder, die dich inspirieren und denen du auch selber folgst?
Ja, ich mag das Model Ashley Graham sehr. Sie ist ja ein sehr berühmtes Plus-Size Model, wenn nicht sogar das berühmteste weltweit. Sie ist eine wahnsinnig schöne Frau und hat so eine tolle Einstellung zu sich, zum Leben und gibt sich auch einfach natürlich und zeigt sich ohne irgendwelche Hindernisse. Das finde ich einfach klasse. Auch viele Modelabels wie Happy Size, Studio Untold, Navabi, Mia Moda, Sheego, Ulla Popken & Co folge ich. Es gibt so viele tolle Seiten, gerade auf Instagram – Bauchfrauen, the Curvy Magazin, Plusperfekt und Angelina Kirsch sind z.B. einige davon.
Warst du denn schon immer so selbstbewusst oder hast du dich auch mal unwohl gefühlt?
Nein, so selbstbewusst war ich früher nicht. Mein Weg war sehr krass. Ich habe auch nicht immer “ein wenig mehr” gewogen. Früher trug ich Kleidergröße 34/36 und war sehr dünn. Damals habe ich auch schon mal versucht zu modeln. Ein großes Problem, welches heute nicht mehr ganz so schlimm ist, war damals, dass man sehr schnell in Schubladen gesteckt wurde. Einem wurde vorgegeben worauf man zu achten hat, wer du sein sollst, wie du dich gibst, wie du dich bewegst und wie du auszusehen hast. Ich habe mich so sehr in diese Schubladen gedrängt und gar nicht wohl gefühlt. Druck gab es damals auch während der Schulzeit von den Schulkameraden. Ich war damals schon ein wenig “anders” und lief immer in Skater-Sachen rum. Ich hatte immer eher breitere, tief sitzende Hosen, lässige Band-Shirts und Chucks an. Das entsprach nicht dem typischen Mädchen-Bild. Und die Mädchen in meiner Klasse waren alle immer eher chic. In meiner Schulzeit gab es dann auch extrem viel Mobbing und ich habe gemerkt, wie die Schüler auf stämmige Mädchen noch mehr losgingen. Damals habe ich dadurch sehr stark darauf geachtet, dünn zu
sein und zu bleiben, um keine weitere Angriffsfläche zu bieten. Wenn man jung ist und noch nicht weiß, wer man ist und wo man hingehört, versucht man sich anzupassen und das schwierig. Eine Zeit lang litt ich deswegen unter einer Essstörung und lange danach auch an Depressionen. Das war eine sehr harte Zeit. Aber irgendwann habe ich mir gedacht, ich lasse mich nicht beurteilen, wer ich zu sein habe. Ich will ich sein. Ich will nicht zurückstecken und ich will nicht nach den Vorstellungen anderer leben. So konnte ich dem Ganzen entfliehen und mit meiner Vergangenheit abschließen und diese hinter mir lassen. Jahre später habe ich dann beschlossen, es nochmal mit dem modeln zu probieren. In der Zwischenzeit hatte ich mehr zugenommen und habe gemerkt, dass ich mich wohler fühlte. Am Anfang war es bei den ersten Shootings auch eine Art therapeutisches fotografieren. Die Bilder haben mir dabei geholfen mich immer mehr selbst zu finden. Je mehr Menschen du kennenlernst, desto offener wirst du und man bekommt natürlich auch Bestätigung, die ich viele Jahre nicht hatte. Das war ein wirklich langer Weg und viele, viele Jahre Arbeit. Ich habe gottseidank auch eine tolle Familie, Freunde und Menschen um ich herum, die mich unterstützen und für mich da sind. Mittlerweile kann ich sagen >Ich liebe mich, wie ich bin<. Ich habe keine Probleme mehr damit mich zu zeigen und hey, es gibt so viele Menschen da draußen auf der Straße, auf der Welt überhaupt und jeder ist schön. Jeder auf seine ganze eigene Art & Weise.
Inwieweit hat das auch den Blick auf dich selber verändert? Kannst du einen Tipp geben, wie man zu dieser Selbstakzeptanz gelangt?
Was auf jeden Fall wichtig ist, ist, dass man Menschen um sich herum hat die einem gut tun. Das ist, finde ich, das A und O. Wenn man merkt, dass ein Mensch einem nicht gut tut, sollte man sich davon distanzieren. Gerade auch aus dem Grund, dass man kaum dazu kommen kann positiv zu denken, wenn einem immer nur negative Dinge entgegen gebracht werden. Wenn man Menschen hat, die einen pushen, die für einen da sind und die einem das Gefühl geben, geliebt zu werden, egal ob Freunde, Familie oder einfach Menschen auf der Straße, dann tut das gut. Wenn dich irgendwer nett anlächelt, das tut einfach gut und man lächelt zurück. Das ist zwar leider nicht unbedingt Gang und Gebe bei vielen Leuten, aber ich mache sowas sehr gerne wenn ich z.B. jemanden sehe, den ich total ausgefallen finde oder ich sehe, der hat irgendwas ganz tolles an oder der hat irgendwie die Haare schön. Egal, ob ich den Menschen kenne oder nicht, ich spreche die Leute tatsächlich an und gebe denen ein Kompliment. Und die freuen sich in der Regel immer total und ich glaube, es sind die kleinen Dinge, an denen man sich erfreuen sollte. Sei es ein schöner Outdoor-Spaziergang in der Natur , was einem ja schon ein bisschen Freiheit gibt und bringt oder einfach mit den Menschen unterwegs ist, die einen gut tun. Dann kommt das alles ganz von alleine.
Kannst du uns schon was über baldige Projekte verraten?
Ja, es gibt tatsächlich jetzt im November/Dezember eine kleine Dokumentation über mich im WDR-Fernsehen. Die wird jetzt bald bei mir Zuhause gedreht und das wird auch nochmal sehr aufregend und emotional. Da wird es auch um meine Geschichte gehen, wie es dazu kam, dass ich Plus-Size Model geworden bin…
Ich werde jetzt auch bald im Katalog von HappySize zu sehen sein, was mich persönlich riesig freut. Ich model viel für HappySize. Bisher aber nur für den Social Media Bereich. Im Katalog zu sein ist einfach immer nochmal was anderes. Und viele andere Kampagnen im PrintBereich stehen gerade in den Startlöchern, die jetzt bald veröffentlicht werden. Da kommt auf jeden Fall noch einiges…